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Bahnreisen & schwarze Mamba
von Hinrich Franck
Schamröte steigt mir ins hohle Ei, wenn ich meinen ersten Aufsatz im Block lese:
„Fliegen & Sudoku,“ ohMann, geht gar nicht, aber: Zeit vora Seuche und Lichtjahre her, nun, nachdem genug Wasser, Spree und Rhein runtergeflossen ist,
in der gute Mensch*innen auf mein ohnehin schon schlechtes Gewissen eingeredet haben, bin ich nach zähen Verhandlungen mit mir selbst zum Schluß gekommen, daß Schluß sein muß, mit den ewigen Ausreden und Vorwänden, Ausflüchten und Beichten, was Fortbewegung angeht, also: SchlußAusEndeFeierabend, nixmehrmit: Kreuzfahrten, Kreuzflügen, Autobahnkreuzen, Kreuzzügen, HALT !
in Zügen bin ich seitdem natürlich häufiger, vorzugsweise Bundesbahn, heißt jetzt Deutsche Bahn und bot während der Seuche 10 Waggons für 10 Reisende, perfekte Reisezeit: 9:48 heiliger Sonntag, die bucklige Verwandschaft schnarcht noch, schön ungestört frühstücken, ohne Abschiedszeremonien und blöde Fragen: “wann kommst Du wieder,“ und noch genug Zeit, ohne aufe Uhr zu starren, einem Geschäft nachzugehen, alternativ: 5:30, ebenfalls Spitzenreisezeit, an allen Tagen der Woche, schön ungestört OHNE Frühstück, noch lauwarm inne Klamotten, umnachtet, durch aufstiebende Tauben zum Hbf taumeln, rein inn ICE, weiterratzen, geht natürlich nur so mittel, zwar hat man um diese Zeit 2 Plätze sicher und kann versuchen, seine Extremitäten über 3 harte Armlehnen und 2 nicht weniger harte Sitzflächen zu verteilen, das abgeknöppelte, schmutzblaue Schaumstoff-Kopfkissen hinter den eingeknickten Nacken geschoben, hartnäckig, zwischen zugigem Zugfenster und dem Anremplern tolpatschig durch den Gang stapfender Rucksackträger, im Dämmer 4 Stunden 16Minuten, unterbrochen nur von 2 x. „Die Fahrkarten bitte,“ und der Variation: „Personalwechsel, die Fahrkarten bitte,“ wenn man sich yogimäßig nur minimal bewegt, dreht oder wendet, ein Akt extremster Selbstdisziplin, schafft mans bis zum Ziel, ohne daß die schwarze Mamba züngelt, und man kann am Zielort mit Kaffebeschleuniger und lekka, handverlesenen Brötchen, in den eigenen Wänden dem hinausgezögertem Geschäft nachgehen, als ich jung war, hatte ich diese voll krasse Buddah-Selbstkontrolle noch nicht, mußte ich mir auf Bahnreisen erst hart erarbeiten, glaube mich sogar zu errinnern, als sehr junger Mann einmal in einem vollbesetzten Zug, uncool um die Kloschüssel eingekringelt, eingeschlossen aufm nackten Linolium der Zugtoilette gepennt zu haben, keiner hats gesehen, niemand willes so genau wissen, am wenigsten ich, Udo: Du machst hier grad mit eim‘ Bekannschaft, der sich genauso wenig kennt, wie Du, was hat der Klugscheisser noch für Bahn-Ratschläge: Niemals ann Tisch, da kommen Gebrauchtwagenhändler, die in konsonantreichen Sprachen gleichzeitig in 3 Handys brüllen, gereizt schweigende Paare mit Thermoskannen und Butterbroten,
alleinerziehende mit Kindern, die 4Std 16 Minuten am Stück quengeln, wennse nicht mit laut lärmenden Handyspielen ruhig gestellt werden, oder Ommas&Oppas, die zu Hause keinen mehr zum Reden haben, ergo: besser das normale 2er Separet und den SItz zum Gang besetzen, auf dem Partnersitz den mitgeschleppten Hausrat ausbreiten: Getränke, Genussmittel, Zeitungen, Bücher, Killer-Sudoku, Rechner, Handy, Ladegeräte + Berlin-U7-Posing: Käppi runter bis zum Kinn + Riesenkopfhörer aufm hohlen Ei..................
„Entschuldigung, ist hier noch frei ?“
„Selbstverständlich, junge Frau, darf ich Ihren Koffer auf die Ablage wuchten ?“